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Heroische Gesänge: Die Bardensänger Dhadi der Sikh-Traditon

Sohan Singh Sital (1909-1998), ein bekannter Bardensänger und Schriftsteller.

Die Dhadi-Tradition gehört zu den verbleibenden epischen Erzähltraditionen Nordindiens und ist gerade im ländlichen Panjab ein fester Bestandteil von Festivals und religiösen Feierlichkeiten. Dhadis werden nach klassischem Verständnis die Barden genannt, die diese Tradition pflegen und die Musikinstrumente der Dhadd (eine kleine Trommel, auf die der Name der Tradition zurückgeführt wird) und indischen Violine, oder Sarangi, spielen.

Bereits in der Gurbani finden sich der Begriff “Dhadi” (ਢਾਢੀ). Er wird er u.a. von Gur Nanak, Gur Amar Das, Gur Arjan aber auch von Bhagat Namdev und Gur Gobind Singh verwendet. Im typischen Stil der Gurbani hat “Dahdi” eine seelische und tugendbezogene Konnotation. Gur Amar Das schreibt:

ਢਾਢੀ ਤਿਸ ਨੋ ਆਖੀਐ ਜਿ ਖਸਮੈ ਧਰੇ ਪਿਆਰੁ ॥ GGS, 516, M.3
Wer die Liebe zum Urquell im Herzen trägt, wird Dhadi genannt.

Gur Nanak bezeichnet sich selbst als nutzlosen Dhadi, der vom Urquell zu einem nützlichen Leben inspiriert wurde.
ਹਉ ਢਾਢੀ ਵੇਕਾਰੁ ਕਾਰੈ ਲਾਇਆ ॥ GGS, ੧੫੦, M.1

Neben vielen anderen Versen seien folgende genannt:

ਹਉ ਨਿਰਗੁਣੁ ਢਾਢੀ ਬਖਸਿਓਨੁ ਪ੍ਰਭਿ ਪੁਰਖਿ ਵੇਦਾਵੈ ॥੯॥ ਉਸ ਪ੍ਰਭੂ-ਪੁਰਖ ਨੇ ਮੈਨੂੰ ਨਿਮਾਣੇ ਗੁਣ-ਹੀਨ ਢਾਢੀ ਨੂੰ ਬਖ਼ਸ਼ ਲਿਆ ।੯। GGS, 1097, M.5

ਜਾਂ ਚੈ ਘਰਿ ਗਣ ਗੰਧਰਬ ਰਿਖੀ ਬਪੁੜੇ ਢਾਢੀਆ ਗਾਵੰਤ ਆਛੈ ॥ GGS, 1292, Bhagat Namdev

ਤਹਾ ਭਾਟ ਢਾਢੀ ਖਰੇ ਗੀਤ ਗਾਵੈਂ ॥ DG, 1244

Dhadi-Musiker sind heute vorwiegend Sikhs. Es gibt aber auch Musiker, die sich eher der Sufi-Tradition oder gar keiner spezifischen religiösen Tradition verpflichtet fühlen. Das hat damit zu tun, dass, historisch betrachtet, die Dhadi-Musiker vor allem aus sozial niedrig gestellten Schichten kamen, von denen viele zum Islam oder zur Sikh-Religion konvertierten. Sie werden manchmal heute noch Mirasis genannt. Die soziale Abwertung, die diesem Begriff anhaftet lässt sich gut aus der Panjab Saga von Prakash Tandon ableiten. Tandon erzählt, dass im alltäglichen Panjabi Sprachgebrauch Mirasi einen verschlagenen und vulgären Charakter bezeichnet. Bei Panjabis löst der Begriff auch heute noch entsprechende Assoziationen aus. Die Musiker selbst wehren sich gegen solche Abwertungen.

In der Sikh-Tradition hat sich Dhadikala als Erzähltradition, wie sie heute vorwiegend verstanden wird, über die heroischen Taten der Weisen und anderen Märtyrer tradiert und bildet damit den Gegenpart zu den ruhigen, nach innen gerichteten Rezitationen, die heute Kirtan genannt werden. Seit Gur Hargobind, so wird angenommen, stehen die Barden in einem Patronageverhältnis zu den Weisen der Sikh-Tradition. Durch ihre Preisgesänge haben sie zur Erinnerung an Sikh-Märtyrer und auf diese Weise zur populären Verbreitung der Sikh-Tradition und auch den Inhalten des Dasam Granth, den Schriften von Gur Gobind Singh, beigetragen. Heute kann man die Sikh-Dhadis in den meisten Gurdwara hören, beispielsweise an Vaisakhi oder zum Andenken die Märtyrer der Sikh-Geschichte. Es gibt viele Gruppen, auch außerhalb Panjabs. Bekannte Namen sind etwa Daya Singh Dilbar, Sohan Singh Seetal und Charan Singh Alamgir.

Die Instrumente

Das klassische Instrument ist die Dhadd. Sie ist wie ein Stundenglas geformt und ihre Bespannung wird durch Druck auf die Spannzüge variabel gehalten. Es kann in der einen Hand gehalten und mit den Fingern der anderen Hand gespielt werden. Der Name Dhadd steht lautmalerisch für die Klänge des Membraphons, die zum Ende des gespielten Tons dumpf abfallen und auf diese Weise für den typischen, geschwungenen Rhytmus sorgen. Das zweite charakteristische Instrument, die Sarangi gehört zu den ältesten Streichinstrumenten überhaupt und hat verschiedene Vorläufer auf dem indischen Subkontinent wie etwa die Sarinda oder Rabab (Mardana, der Begleiter Gur Nanaks hat laut Überlieferung die Rabab gespielt, die Sarinda wurde traditionell im Kirtan benutzt). Die Sarangi besteht aus einem taillierten Resonanzkörper, der aus einem Stück Holz angefertigt ist, sowie einem langen und breiten Hals, auf dem drei bis vier Hauptseiten angebracht sind. Mehrere Duzend Resonanzseiten schwingen je nach Tonlage mit den Hauptseiten und kreieren das orchestrale Klangbild der Sarangi.

In einem Dhadi Ensemble (auch Jatha genannt) wird die Sarangi von einem Musiker gespielt und von den Stimmen und Dhadd Rhythmen zweier weiterer Musiker begleitet. Während einer Darbietung führt ein Redner die Komposition ein, beispielsweise die tragische Liebesgeschichte von Kulturheroen oder, wie üblicherweise bei den Sikh-Dhadis, eine Märtyrergeschichte. Sobald der Redner die Einführung beschließt, erhebt er oder sie (es gibt auch Frauen Gruppen) die Stimme und die Musiker setzen mit ihrem Lied ein. Dieses beginnt in der Regel mit dem Alankar (Verzierung). Es ist eine kurze Einführung in der die Sarangi in Anlehnung an klassische Rags die Charakterzüge der Melodie vorstellt. Je nach Kompetenz der Musiker kann es zur Verzierung als Zwischenspiel im Stück wiederholt werden. Dem Alankar folgt ein lange anhaltender vibrierender Ton, der die Gefühlslage (rasa), meist eine heroisch-leidenschaftliche (bir ras) oder trauernde (dukh ras), einstimmt. Im Falle einer gelungenen Performanz konzentrieren die Sänger die Gefühlslagen eines Stücks in einer einzigen musikalischen Metapher. Dies wird Hek genannt. Man möchte bei den Zuhörern bestimmte Gefühlslagen oder „Geschmack“ evozieren. Dabei vergleichen die Musiker die Schwingungen, die die Instrumente erzeugen mit den emotionalen Schwingungen im Zuhörer. Die klassische Idee der Rhetorik, wie beispielsweise bei Cicero, der meinte die Stimme des Redners sollte wie Seiten eines Instruments im Hörer anklingen, findet also im Falle der Dhadi-Musiker eine kulturell spezifische aber zur europäischen rhetorischen Theorie verwandte Ausarbeitung. Ähnlich wie der unter höchster Spannung stehende Körper der Sarangi die Schwingungen der Resonanzseiten widerhallt, so soll der menschliche Körper die oral-musikalische Darbietung als Gesamtwerk erfahren.