Ist Gott ein Grüner? Klimagerechtigkeit und Religion

Podiumsdiskussion zu umweltethsichen Fragen aus spiritueller Sicht der Stiftung Weltethos. Die Teilnehmenden diskutierten die Bedeutung ganzheitlicher Ansätze beim Umweltschutz. Dabei können Transformationsprozesse der Dekolonialisierung helfen, lineares und wachstumsbasiertes Denken zu überwinden und zyklische Ansätze in den Vordergrund zu stellen. Foto: Stiftung Weltethos

Umweltethische Fragen zu Klimagerechtigkeit und Religion

Wie können Religionen dazu beitragen, die Klimakatastrophe zu verhindern? Über umweltethische Fragen und das Potential interreligiöser Kooperation gegen die Klimakatastrophe sprachen wir am 26. Juni 2023 in Tübingen.

Es war ein Abend in besonderer Atmosphäre, denn es wurde nicht über Prozentpunkte der CO2 -Zunahme oder Temperatur-Limits gestritten, und es ging auch nicht darum, wer recht hat (und wer nicht). Im Zentrum des Gesprächs mit Feride Funda G.-Gençaslan, die den Sufismus vertrat, und Khushwant Singh, der aus Sicht der Sikhi sprach, stand die Bedeutung von Religion im Klimadiskurs. Wunsch und Ziel des Dialogs waren gemeinsame Einsichten zu finden und miteinander Wege zu erörtern, die der Naturzerstörung entgegenwirken. Einig waren sich die Podiumsgäste in der Sorge um die Erde, auf der wir so oder so alle nur Gast seien.

Um über die Rolle von Religion und Religionsgemeinschaften zu sprechen, hatten die Stiftung Weltethos und die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart bewusst zwei Vertretungen sogenannter kleinerer Religionsgemeinschaften eingeladen. Es sollten Positionen sichtbar gemacht werden, die sonst im aufgeheizten gesellschaftlichen Diskurs um die Klimakrise eher wenig Gehör finden. Und so standen vor allem Spiritualität und Weisheit im Vordergrund und die Frage danach, wie diese mit säkularen Gedanken ins Gespräch gebracht werden können.

Funda G.-Gençaslan und Singh sahen die Bedeutung der Religionsgemeinschaften darin, dass sie Krisen reflektieren und einen Orientierungsrahmen bieten. Viele religiöse Traditionen enthielten Motive, die eine solche Haltung und einen nachhaltigen Umgang mit der Natur fördern können. Religiöse Gemeinschaften haben international eine breite Basis und könnten eine bedeutende Rolle bei der Mobilisierung von Menschen für den Umweltschutz spielen. Sie warben in diesem Sinne auch für eine Zusammenarbeit zwischen religiösen und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren.

Haben Religionen in einer Situation der Umweltkrise die Aufgabe, Hoffnung spenden, oder ist es dazu bereits viel zu spät?

Eine Frage, die die Moderatorin Dr. Theresa Beilschmidt stellte, lautete: Haben Religionen in einer Situation der Umweltkrise die Aufgabe, Hoffnung spenden, oder ist es dazu bereits viel zu spät? Dazu verwies Feride Funda G.-Gençaslan auf die Sufi-Tradition, in der es heiße: „Glaube und Hoffnung sind Gefährten.“ Der Mensch sei dabei ein „Diener auf Erden“, der gerade in einer Welt, die in einer dualen Spannung von Freud und Leid erfahren wird, auch die Not erfährt – und zwar auch als eine Erinnerung an das, was letztlich Not tut. Der Mensch nämlich, so die Vorsitzende des Sufi-Zentrums in Eigeltingen weiter, sei nach koranischer Deutung seiner Natur nach auch vergesslich: er vergisst seinen Platz, seine Aufgabe, seine Verantwortung in der Schöpfung. Daher müsse der Mensch, gerade auch in Erinnerung an seine Mit-Geschaffenheit mit der Schöpfung, Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen und sich fragen: Was muss ich an mir ändern, um Gerechtigkeit zu erreichen?

Khushwant Singh, vom Rat der Sikhi, betonte die Bedeutung der Ganzheitlichkeit und forderte ein zyklisches statt eines linearen Denkens, was er mit einer „Dekolonialisierung des eigenen Denkens“ verband. Das Lernen von Verantwortung sei daher eine wichtige Aufgabe für Bildung und Erziehung. Im Umgang mit Klima und Umweltzerstörung gehe es letztlich nicht nur um technische Lösungen, hob er hervor, sondern darum, einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, der mit innerer Einsicht, Demut und Verantwortungsübernahme einhergehe.

Die Abendveranstaltung in Kooperation mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart stand in einem Arbeitszusammenhang mit anderen gemeinsamen Veranstaltungen zur interreligiösen Umweltethik. Im kommenden Jahr finden eine Tagung interdisziplinäre Tagung mit interreligiösen Studientagen zum Thema Klima und Religionen statt.

Credits: Stiftung Weltethos

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